Gedanken zum Weltfrauentag
Auch wenn ich auf solche Tage überhaupt nicht stehe, denn das Thema ist ja wohl bitte schön 365 Tage im Jahr wichtig, möchte ich trotzdem den heutigen Abend noch zum Anlass nehmen, um ein paar Zeilen zu schreiben, nämlich um meinen Eltern von Herzen zu danken. Dass sie meine Eltern sind, dass sie mich als Kind schon immer haben machen lassen, dass sie mir vertraut haben, dass sie mich bedingungslos lieben und unterstützen. Und das bis heute.

Mir tut es auch angesichts der aktuellen politischen Lage in der Seele weh, dass Mädchen und Frauen auf der Welt immer wieder und immer noch benachteiligt werden. Von der Bescheidung in ihrer Freiheit, von grausamer körperlicher Beschneidung, von Zwangsehen mit alten Männern, aber man braucht garnicht so weit schauen, auch hier in Deutschland gibt es deutliche Unterschiede, ja, direkt hier in unserem Alltag, nämlich in unserer Berufswelt. Benachteiligt meist beim Aufstieg in die Chefetage oder noch deutlicher beim Einkommen. Equal Pay Day. Mich macht das jedes Mal wütend. Und jedes Mal denke ich mir, wir Frauen müssen mehr Druck ausüben. Warum erhält ein Mann auf gleichem Posten mit gleicher Qualifikation und gleicher Leistung locker 25% mehr Gehalt? Es macht mich wütend. Wir haben noch viel zu tun.
Und dennoch möchte ich meinen Eltern danken. Dass sie den Weg mit ihrer Generation geebnet haben, dass wir Frauen und Mädchen in Deutschland studieren können und am Ende auch endlich alles werden können. Auch Kanzlerin.
Ich habe nie von meinen Eltern gehört, dass ich dieses oder jenes als Mädchen nicht schaffen könnte. Ich wurde nie aufgrund meines Geschlechts von ihnen persönlich benachteiligt, sie haben mir nie etwas verwehrt, ich wurde nie kleingehalten. Sie haben mir nie etwas ausreden wollen. Ich wollte ab der 10. Klasse Berufspilotin bei der Lufthansa werden. Das war 1995, da gab es gefühlt 20 Pilotinnen. Unser Nachbar war Pilot und hat in Bremen ausgebildet. Sie haben organisiert, dass ich mit ihm mitfliegen darf, dass ich in den Simulator mit darf, dass ich mit Pilotenschülern sprechen darf. Sie haben mich immer untersützt. Schlussendlich habe ich es mir selbst nicht zugetraut, da ich ein Mensch der Worte, aber nicht der Zahlen bin. Irgendwas im Kopf ausrechnen....keine Chance. Ist einfach nicht meine Stärke. Dennoch glaube ich, ich wäre eine super Pilotin geworden. Sie haben mich aber auch danach unterstützt Kunsthistorikerin zu werden, mir bei meinen vielen unbezahlten Praktika unter die Arme geholfen, denn vor allem mein Papa fand meinen Berufswunsch toll - er wäre gerne selbst Archäologe geworden, hätte er damals in den 50ern die Möglichkeit gehabt, frei entscheiden zu dürfen. Das war eine Sache, die ihm persönlich sehr wichtig war und immer predigte er, macht euer Abitur, danach steht euch alles offen. Er hat sich sehr gefreut, so haben wir zahllose Museumsbesuche und Städtetrips gemeinsam gemacht. Und ich weiß, dass ich priveligiert aufgewachsen bin. Sie haben mich immer machen lassen, immer bestärkt in meinen Wünschen und Interessen. Und mich immer gefördert. Das ist natürlich nicht bei allen so. Aber, was bei allen Eltern der Fall sein muss, und das fordere ich von allen Eltern: bestärkt eure Kinder ihre Träume zu verwirklichen. Unterstützt sie. Und das meine ich mental. Nicht nur finanziell. Ich habe während des Studiums auch viel gearbeitet.
Unsere Kinder, und damit meine ich Mädchen als auch Jungs, müssen lernen, dass das Geschlecht nicht im Vordergrund steht, es geht nicht mehr um Unterdrückung oder Machtverhältnisse, das ist alles von gestern. Es geht um Lebenspartnerschaften im privaten als auch im beruflichen Kontext. Partner in Crime quasi. Es geht doch darum, dass wir als Menschen in einer besseren Gesellschaft, auch gerade jetzt in einer friedvollen Gesellschaft, in der alle Chancengleichheit haben, leben. Das muss immer wieder durch Vorleben auch unseren Kindern gezeigt werden. Meine Tochter erzählte mich jetzt letztens ein paar Mal, dass es im Kindergarten eine Jungsbande gibt, die die Mädchen ärgern. Das ärgert mich sehr. Mich hat das selbst damals in der Schule immer sehr gestört, dass die Jungs ihren Schwanzvergleich schon im Grundschulalter ausüben mussten. Ernsthaft? Muss das sein? Können die Papas hier bitte nicht einfach auch ein bisschen gegensteuern? Was ist das für ein Macho-Gehabe? Das regt mich auf.
Aber zurück zu meinen Eltern: danke für eine beschützte Kindheit, danke für unconditional love, danke für all die Möglichkeiten, all die Entscheidungsfreiheiten, all das Wachstum. So ein Tag wie heute macht einem immer wieder klar, wie viel Arbeit wir Frauen noch vor der Brust haben, gerade auch im heutigen Macho-Dickicht. Es macht mich traurig zu sehen, was einzelne Männer auch noch im Jahr 2022 alles durch ihren Schwanzvergleich und Größenwahnsinn zerstören können. Es ist noch ein langer Weg. Aber dennoch ist doch schon einiges passiert.